Ein Kommentarbericht von Dalida Dittmar
Am 22. Mai 2017 fand im Landratsamt eine Veranstaltung zum Thema Hatespeech, auf deutsch Hassrede, statt. Definition des Begriffs: Angriffe auf die Würde eines Menschen mit Worten, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit.
Skeptisch ging ich zu dieser Veranstaltung, wurde aber zumindest im ersten Teil insofern positiv überrascht, als dass die beiden hervorragenden Referenten Dr. Astrid Carolus und Professor Frank Schwab von der Uni Würzburg sachlich und neutral sowohl über die Geschichte, als auch über die Psychologie des Phänomens Hassrede sprachen. Hier einige durchaus wissenswerte Dinge, die ich mitgenommen habe:
Wenn man die Mediengeschichte in einen 24-Stunden-Vergleich setzt, so kam erst um 21:33 die Sprache auf (100.000 v. Chr.), um 23:52 die Schrift, um 23:58 das erste Buch, um 23:59:14 der Buchdruck (Johannes Gutenberg), um 23:59:47 Rundfunk und Fernsehen und schließlich um 23:59:57 der Computer. Mit Erstaunen vernahm ich, dass man anfangs den Frauen das Lesen zu ihrem eigenen Schutz und zum Wohle ihres Seelenfriedens komplett verbieten wollte.
Wichtiges Schlagwort für den Einstieg ins Thema ist der soziale Abwärtsvergleich: Ich fühle mich gut, weil ich mich dir überlegen fühle, mein Auto fährt schneller als deines, mein Rasen ist grüner. Zur Verdeutlichung wurde der Artikel „Woher kommt der Hass – Die Ratte in uns“ herangezogen, an dem der Referent kritisierte, dass der Autor des Artikels genau das betreibt, worüber er schreibt, nämlich sozialen Abwärtsvergleich. Oder wie es ein Leser im Kommentarbereich ausdrückt: „WIR sind die Guten! Und ihr braucht dringend Hilfe!“ Hier nachzulesen.
Um Daten zu erhalten, hat The Guardian 70 Millionen Leserkommentare unter Artikeln ausgewertet. Dabei kam heraus, dass es 1,4 Millionen Sperrungen wegen Beleidigung, also Hatespeech gab, das sind 2%. Betrachtet man diese und andere Untersuchungen, so kommt man zu zwei Schlussfolgerungen: 1. Hatespeech gab es schon immer und 2. eine Zunahme durch soziale Netzwerke ist nicht zu verzeichnen. Nichtsdestotrotz sollten unbedingt in einer Demokratie, die ja erst echt ist, wenn sie auch die Meinung des Andersdenkenden aushält, die Spielregeln der Auseinandersetzung eingehalten werden, und zwar von allen Seiten!
Der 2. Vortrag des Abends war dann wie erwartet, ging es doch, trotz mehrmaliger Versicherung, Vorgetragenes gelte auch für Linksextremismus, Salafismus, für Sekten oder extremistische Tierschützer, heute im Besonderen aber um Rechtsextremismus, bzw. Rechtspopulismus. Kurz, es ging um die AfD. Und ein bisschen um Trump. Und um Islamophobie. Zunächst aber lernte ich die „Aber-Nazis“ kennen, das sind die „Ich bin zwar kein Nazi, aber…-Nazis“, gefolgt von den „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen-Nazis“. Als nächstes ging es um ein Plakat, das auf einer AfD oder Pegida-Demo hochgehalten worden war: „Rapefugees not welcome“. Die Referentin war der Meinung, dass die Aussage völlig klar sei, ganz eindeutig und unzweifelhaft sei gemeint gewesen, dass alle Flüchtlinge Vergewaltiger seien. Sie gab ihrer Empörung darüber Ausdruck, dass ein Gericht der Auffassung war, es könnte auch gemeint gewesen sein, dass alle vergewaltigenden Flüchtlinge unwillkommen seien, und das fiele dann unter Meinungsfreiheit, sei also nicht strafbar. Ihr Statement: „Das haben die von der AfD dann natürlich auch behauptet, darüber könnte man jetzt diskutieren.“
Eine weitere Warnung galt den Identitären, die hätten sich mittlerweile an die AfD drangehängt. Die seien alle total intellektuell, sehr gebildet, drückten sich gut aus, mieden Wörter wie Volk und Rasse. Auf den ersten Blick also eigentlich nichts einzuwenden. Aber Vorsicht! Jemand der seine kulturelle Identität bewahren wolle sei zutiefst faschistisch!
Schließlich stellte die Referentin fest, dass die Rechten gar nicht mehr so leicht zu erkennen seien, wie früher, sei es doch durchaus möglich, dass ein Kiffer mit Bob Marley-Poster im Zimmer seine Identität bewahren möchte.
Der Vortrag endete mit dem Aufruf Zivilcourage zu zeigen, man solle screenshots machen und an die Polizei weitergeben. Es mache einen Unterschied, ob nur einer einmal wöchentlich etwas meldet, oder ob das andauernd Massen tun. Man solle alles melden, was in irgend einer Weise strafrechtlich verfolgt werden könne.
Mein Fazit: Der erste Teil dieser Veranstaltung war zwar durchaus lehrreich, aber da im Publikum vor allem Mitarbeiter der kommunalen Jugendpflegeeinrichtungen, Angehörige des Bündnisses gegen Rassismus und vielleicht 5, 6 Politiker des Kreises saßen, doch eher zur Eigenbelustigung, billig waren die Redner sicherlich nicht. Man kann sehen, dass das, was im Großen passiert – das Netzwerkdurchsetzungsgesetz lässt grüßen – auch hier im Kreis konsequent fortgeführt wird: Andersdenkende sollen eingeschüchtert werden, jeder soll jeden kontrollieren, bzw. denunzieren, das, was die Aufgabe gelernter Juristen ist, soll in die Hände von Laien gelegt werden, und schließlich – verfolgt man aufmerksam, was bei facebook gelöscht wird und was nicht – soll die Macht der Regierenden erhalten werden. Wer eine wirklich gute Rede zum Thema hören möchte, dem empfehle ich diese von Rechtsanwalt Steinhöfel.